Versuche für das Tier und Versuche am Tier sind auch im 21. Jahrhundert in der veterinärmedizinischen Forschung nicht wegzudenken. In vielen Experimenten in der Veterinärmedizin stehen Erkrankungen von Tieren, deren Erforschung und das Finden von Heilungsansätzen im Vordergrund. Neben diesen Aspekten finden auch Tiermodelle Verwendung, die Krankheiten des Menschen in den Fokus nehmen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Die 3R sind ein wichtiger Pfeiler bei Tierversuchen an der VMF, Foto: Colourbox
Die 3R sind ein wichtiger Pfeiler bei Tierversuchen an der VMF, Foto: Colourbox

Welche Tiere werden an der VMF gehalten und eingesetzt?

An der VMF werden unterschiedliche Tiere gehalten, vor allem auch, um in der Ausbildung ein breites Tierartenspektrum abbilden zu können. So werden neben Großtieren (Pferde, Kühe, Schweine, Schafe) (Abb. 1) und Kleintieren (Hunde, Mäuse) (Abb. 2), auch Vögel (Legehühner, Rassetauben, Nymphensittiche) und Reptilien (Königspythen, Bartagamen) gehalten. Im Jahr 2023 wurden die Tiere, die an der VMF gehalten werden, auf besondere Weise gewürdigt: Der Künstler Martin Galle fertigte zum 100-jährigen Bestehen der Fakultät Portraits von den Tieren an. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 1 - Den an der VMF gehaltenen Pferden steht ein Auslauf oder eine Weide zur Verfügung. Foto: Dr. Frauke Paul
Abb. 1 - Den an der VMF gehaltenen Pferden steht ein Auslauf oder eine Weide zur Verfügung. Foto: Dr. Frauke Paul

Wofür werden Versuchstiere an der VMF eingesetzt?

An der VMF werden Tierversuche zur Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten bei Tier und Mensch, zur Förderung des Wohlergehens von Tieren sowie zur Grundlagenforschung durchgeführt. Zudem besteht am Lehr- und Forschungsgut Oberholz die Möglichkeit, tierexperimentelle Forschung an landwirtschaftlichen Nutztieren (Rind, Schwein, Schaf) und Pferden durchzuführen, die auch der Verbesserung von Haltungsbedingungen dient. 

Über die Forschung hinaus werden Versuchstiere zur praktischen Ausbildung im Rahmen des veterinärmedizinischen Studiums eingesetzt. Hierbei werden grundlegende Untersuchungsmethoden und Behandlungen (z.B. Anlegen eines Verbandes) erlernt, welche Tierärzt:innen nach Abschluss des Studiums zum Wohle der Tiere beherrschen müssen. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 2 - Die an der VMF gehaltenen Beagle toben beim täglichen Auslauf auf der Wiese. Foto: Dr. Frauke Paul
Abb. 2 - Die an der VMF gehaltenen Beagle toben beim täglichen Auslauf auf der Wiese. Foto: Dr. Frauke Paul

Was tut die VMF, um den Einsatz von Tieren in Versuchen zu vermeiden?

Für alle Tierversuche, die in der Europäischen Union durchgeführt werden, gilt das sogenannte 3R-Prinzip. Die 3 R stehen für die englischen Wörter 

  • Replace – ersetzen
  • Reduce – reduzieren
  • Refine – verbessern. 

Das bedeutet, dass vor der Durchführung eines Tierversuchs geprüft wird, ob Alternativen vorhanden sind, für die keine lebenden Tiere benötigt werden und somit auf den Tierversuch verzichtet werden kann (Replace). Sofern keine Alternativen vorhanden sind und daher ein Tierversuch durchgeführt werden soll, wird durch eine sorgfältige statistische Planung des Versuchs sichergestellt, dass eine ausreichende Anzahl an Tieren verwendet wird, um die wissenschaftliche Fragestellung sicher beantworten zu können, ohne mehr Tiere einzusetzen als unbedingt notwendig. Ziel ist es, die Anzahl der Tiere im Versuch so weit wie möglich zu minimieren (Reduce). Dies betrifft die notwendige Anzahl der Versuchs- und Kontrollgruppen sowie die Größe der einzelnen Gruppen. Zudem werden die Bedingungen für die Tiere sowohl im Versuch als auch in der Haltung laufend angepasst und damit verbessert sowie Belastungen reduziert (Refine). 

Die Mitarbeitenden der VMF fühlen sich dem 3R-Prinzip in besonderer Weise verpflichtet. Um den Einsatz von Tieren in Versuchen zu vermeiden, arbeiten die Wissenschaftler:innen an der Entwicklung und Verbesserung von sogenannten Alternativmethoden. Hierbei werden verschiedene Fragestellungen nicht am Tier, sondern beispielsweise in Zellkulturen (in vitro) untersucht. So entwickeln beispielsweise Mitarbeitende des Instituts für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie in vitro-Modelle, mit denen anstelle von lebenden Tieren die tödliche Dosis eines Stoffes (LD50-Wert) ermittelt werden kann. Details finden Sie unter dem Reiter “3R-Initiative” auf der Webseite des Instituts. Zudem untersuchen viele Institute, u.a. das Institut für Virologie (hier am Beispiel von Katzenkrankheiten), das Institut für Parasitologie und das Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen, bestimmte Fragestellungen in vitro anstatt am lebenden Tier. Hierbei kommen neben einfachen Zellkulturen auch sogenannte Organoide, die in miniaturisierter Form Organe nachbilden, zum Einsatz. 

Um möglichst wenige Tiere für die Ausbildung von Studierenden einsetzen zu müssen, wurde an der VMF das PAUL (Praktisches Ausbildungs- und Lernzentrum) gegründet. Hier üben die Studierenden Eingriffe und Behandlungen an Modellen. So haben sie die notwendigen Techniken dafür bereits verinnerlicht, bevor sie sie an lebenden Tieren durchführen. Beispielsweise können Studierende an Hautmodellen Nahttechniken (Abb. 3) und sogar chirurgische Eingriffe (Abb. 4) üben oder sich an speziell hierfür präparierten Stofftieren mit Untersuchungsgängen und dem Umgang mit Tieren in der Tierarztpraxis vertraut machen (Abb. 5). Das PAUL deckt somit alle 3 R ab: Zum einen können bestimmte Tierversuche in der Lehre vermieden werden (Replace). Hierbei helfen auch spezielle Computerprogramme, mit denen physiologische Prozesse im Tierkörper begreifbar werden, z.B. die Reizweiterleitung in Nerven (Abb. 6) – wofür früher Froschschenkel verwendet wurden. Zum anderen kann bei Übungen, für die weiterhin lebende Tiere notwendig sind, die Zahl der Versuchstiere reduziert werden (Reduce), da die Studierenden die Behandlungen zunächst an Modellen und erst im Anschluss an lebenden Tieren üben. Dies führt dann auch dazu, dass die Belastung der Tiere reduziert ist (Refine), weil die Studierenden die Behandlungen bereits schonender durchführen können als vor der Übung am Modell. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 3 - Ein Student übt im PAUL eine Nahttechnik an einem Hautmodell. Foto: Julia Dittes
Abb. 3 - Ein Student übt im PAUL eine Nahttechnik an einem Hautmodell. Foto: Julia Dittes

Was tut die VMF, um die Bedingungen für die Versuchstiere zu verbessern?

Ziel der VMF ist es, die Haltungsbedingungen für die Versuchstiere weiter zu verbessern. Dafür sind neue, optimierte Tierhaltungen geplant. 

Durch Enrichmentmaßnahmen (Enrichment = Anreicherung) wie Beschäftigungsmaterial, räumliche Gestaltung der Haltung in verschiedene Bereiche und Trainingsmaßnahmen werden die Tierhaltungen für die Tiere interessanter gestaltet. 

Den gehaltenen Hunden, Pferden, Rindern und Schafen stehen Auslauf- bzw. Weideflächen zur Verfügung (Abb. 1 und Abb. 2). Die gehaltenen Vögel der Klinik für Vögel und Reptilien können Außenvolieren nutzen. 

Eine wichtige Enrichmentmaßnahme ist das Training der Tiere. Durch das Training können die Tiere auf den Kontakt mit Menschen und die durchzuführenden Eingriffe oder Behandlungen (im Rahmen wissenschaftlicher Tierversuche oder in der Ausbildung) vorbereitet werden, wodurch möglicher Stress für die Tiere vermieden bzw. reduziert wird. Bei Tierversuchen, die bei den Tieren potenziell mit Schmerzen einhergehen können, werden den Tieren wirksame Schmerzmittel gegeben. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 4 - Auch Operationen können im PAUL mithilfe von speziell präparierten Stofftieren nachgestellt werden. Foto: Maria Jahn
Abb. 4 - Auch Operationen können im PAUL mithilfe von speziell präparierten Stofftieren nachgestellt werden. Foto: Maria Jahn

Was passiert am Ende der Versuche mit den Tieren?

Der Verbleib der Tiere am Versuchsende ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Einige Versuchstiere (z.B. Pferde) leben dauerhaft in kleinen Gruppen an der VMF. 

Bei manchen wissenschaftlichen Versuchen ist es notwendig, den Tierkörper nach Versuchsende pathologisch zu untersuchen. Dann müssen die Tiere am Ende des Versuches euthanasiert werden. Bei anderen Versuchen ist dies nicht erforderlich und das Tier kann nach dem Versuch weiterleben. Diese Tiere verbleiben entweder in der Tierhaltung der VMF oder werden an interessierte, fachkundige Halter:innen vermittelt (sog. Rehoming). Auf das Leben als Haustier werden die Versuchstiere gezielt vorbereitet, damit der Umzug in das neue Zuhause ein positives Erlebnis darstellt. Diese Vorbereitung umfasst für die Hunde der VMF zum Beispiel auch ein Training im Grundgehorsam, also ihre Namen und Kommandos wie “Sitz” und “Platz”.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 5 - Ein Stoffhund für die Lehre. Dieser Stoffhund wurde so präpariert, dass Studierende die Untersuchung der Ohren an ihm erlernen können. Gleichzeitig kann eine zweite Person üben, den Hund dabei, wie für die Untersuchung notwendig, gut festzuhalten. Foto: Julia Dittes
Abb. 5 - Ein Stoffhund für die Lehre. Dieser Stoffhund wurde so präpariert, dass Studierende die Untersuchung der Ohren an ihm erlernen können. Gleichzeitig kann eine zweite Person üben, den Hund dabei, wie für die…

Wer ist für den Schutz der Tiere an der VMF zuständig?

Die Tierversuche, die an der VMF durchgeführt werden, müssen zuvor von der Landesdirektion Sachsen genehmigt werden. Die Mitarbeitenden dieser Behörde prüfen anhand des Tierversuchsantrags, ob der Tierversuch unerlässlich und ethisch vertretbar ist und dass das 3R-Prinzip (siehe “Was tut die VMF, um den Einsatz von Tieren in Versuchen zu vermeiden?”) eingehalten wird. Hierbei wird sie von der sogenannten Tierversuchskommission unterstützt, in der Expert:innen aus der Wissenschaft sowie aus Tierschutzvereinen vertreten sind. Neben der Genehmigung oder Ablehnung von Tierversuchen kontrollieren die Mitarbeitenden der Genehmigungsbehörde auch die Versuchsdurchführung sowie die Haltungsbedingungen der Versuchstiere. 

Wichtige Ansprechpartner:innen innerhalb der VMF zu Fragen der Durchführung von Tierversuchen bzw. der Haltung von Versuchstieren sind die Tierschutzbeauftragten der VMF, der Tierschutzausschuss sowie die Tierschutzverantwortlichen der Kliniken und Institute der VMF. 

Die Tierschutzbeauftragten an der VMF sind unmittelbar in die Umsetzung der Tierschutzanforderungen bei der Durchführung von Tierversuchen sowie in der Versuchstierhaltung eingebunden. So beraten sie Wissenschaftler:innen bei der Planung und Durchführung von Tierversuchen hinsichtlich der Möglichkeit zur Reduktion von Belastungen der Tiere sowie über Alternativmethoden und nehmen zu jedem neuen Tierversuchsantrag Stellung. Durch Kontrollen der Tierhaltungen sowie von Tierversuchen erhalten sie einen unmittelbaren Überblick über die Bedingungen und können Hinweise zur Verbesserung des Tierwohls geben. Darüber hinaus sind die Tierschutzbeauftragten in die Planung neuer Tierhaltungen eingebunden. 

Die Tierschutzbeauftragten werden vom Tierschutzausschuss der VMF unterstützt. In diesem tauschen sich Tierpflegende, die Tierschutzverantwortlichen der einzelnen Institute und Kliniken, die Juniorprofessorin für Tierschutz und Ethologie, die Tierschutzbeauftragten, Wissenschaftler:innen, die Tierversuche durchführen, sowie Studierende zu Fragen des Tierschutzes an der VMF aus und erarbeiten entsprechende Empfehlungen, insbesondere zur Verbesserung des Wohlergehens der Tiere. 

Aufgaben und Zuständigkeiten der Tierschutzbeauftragten sowie des Tierschutzausschusses werden über entsprechende Ordnungen der Fakultät geregelt. In jeder Einrichtung bzw. Klinik der VMF, in der Versuchstiere gehalten werden, gibt es eine:n Tierschutzverantwortliche:n. Diese sind Ansprechpartner:innen für alle Tierschutzfragen in der Klinik / Einrichtung und arbeiten im Tierschutzausschuss der VMF mit. 

Studien mit Tieren, die nicht mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere einhergehen und somit keine Tierversuche im Sinne des Tierschutzgesetzes darstellen, werden von der Ethikkommission der VMF hinsichtlich ihrer ethischen Vertretbarkeit geprüft. Neben Wissenschaftler:innen der VMF sind ein Vertreter des Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamtes der Stadt Leipzig sowie eine Studentin der Veterinärmedizin Mitglied der Ethikkommission. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abb. 6 - Dieses Computerprogramm stellt die Reaktion von Nerven auf unterschiedliche Reize dar und ersetzt damit die in der Vergangenheit üblichen Versuche an Froschschenkeln. Foto: Julia Dittes
Abb. 6 - Dieses Computerprogramm stellt die Reaktion von Nerven auf unterschiedliche Reize dar und ersetzt damit die in der Vergangenheit üblichen Versuche an Froschschenkeln. Foto: Julia Dittes

Was tut die VMF, um die Mitarbeitenden in Tierversuchen auszubilden und zu begleiten?

Alle Personen, die in Tierversuchen bzw. in der Versuchstierhaltung arbeiten, müssen sich die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vor Versuchsbeginn aneignen und sich auch danach kontinuierlich fortbilden. Die VMF fördert diese Aus- und Fortbildung durch die Organisation eigener Fortbildungsveranstaltungen und unterstützt die Mitarbeitenden bei dem Besuch externer Veranstaltungen. 

So gibt es eine spezielle tierexperimentelle Fortbildungsreihe für Tierpfleger:innen, in der  u.a. Kenntnisse zum Tierverhalten und Fähigkeiten zum Training von Tieren vermittelt werden. 

Zweimal jährlich wird für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen der Kurs „Planung und Dokumentation von Tierversuchen“ durchgeführt, der entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten, auch zur sorgfältigen Berechnung der benötigten Tierzahl, vermittelt. 

Darüber hinaus werden Vorlesungsreihen zum Tierschutz, zum Tierverhalten sowie zur Labortierkunde angeboten, die sowohl von den Studierenden als auch den Mitarbeitenden der VMF besucht werden. Um die Bedeutung des Tierschutzes zu verdeutlichen und die Lehre und Forschung in dem Bereich weiter auszubauen, wurde im Jahr 2023 an der VMF zudem eine Juniorprofessur für Tierschutz und Ethologie (Verhaltensforschung) eingerichtet.

Weitere Informationen zum Thema

Tierversuche an der Universität Leipzig

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Gesellschaft für Versuchstierkunde

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Tierversuche verstehen

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GST - Gesellschaft Schweizer Tierärtz:innen

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Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.

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